Die Geschichte einer Firmeninsolvenz
Kiel. Anfang des Monats durfte ich, als zuständige Werkstudentin für PR, nach Hamburg fahren und einen unserer erst kürzlich dazugewonnen Mandanten interviewen. Herr M.* berichtete ausführlich, was eine Firmeninsolvenz für Auswirkungen hat – auch auf die eigene Beziehung und das Familienleben.
09:52. Ich klingele an der Tür eines Eckhauses und ein paar Sekunden verstreichen. Die Tür öffnet sich und ein sympathischer großer Mann in Jeans und weißem T-Shirt steht vor mir. Er lächelt sofort und meine Aufregung löst sich in Luft auf. Sein herzlicher Empfang und die positive Art, die während meines Aufenthalts nicht für einen Moment umschlägt, sind nicht selbstverständlich. Denn die Menschen, die ich für solche Interviews treffe, haben schwere Schicksalsschläge und eine harte Zeit hinter sich. In unserer Gesellschaft spricht man nicht gerne über das eigene Scheitern und doch tut er es – sehr ehrlich und sympathisch.
Guten Morgen Herr M., zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich freiwillig dazu bereit erklären, mir einige Fragen zu beantworten. Sie müssen selbstverständlich keine der Fragen beantworten, wenn Sie nicht möchten. Zunächst könnten Sie vielleicht erzählen, in welcher Branche Sie tätig sind und was Sie hier jeden Tag tun.
Wir sind ein Ingenieurbüro und konstruieren Maschinen in allen Formen und Farben. Auch besonders Spezialanfertigungen, wie beispielsweise Maschinen mit besonders schwerem Handling sind für uns kein Problem.
Wie war Ihr bisheriger beruflicher Werdegang?
Ich habe erst technischer Zeichner gelernt und dann ein Studium begonnen, das ich dann aber wieder abgebrochen habe. Es hat mir einfach zu lange gedauert (lacht). Danach habe ich für eine Firma, die Rauchabzüge und Ähnliches herstellt, gearbeitet, bin dann da weg und habe in einem Ingenieurbüro angefangen. Dort habe ich etwa 10 Jahre verbracht. Es war ein kleineres Unternehmen und das war wirklich schön, weil wir so unterschiedliche Sachen gemacht haben. Angefangen damit, dass wir einfache Rohrleitungen verpackt haben bis hin zu hoch komplexen Messgeräten, die wir selber gebaut haben. Es war wirklich spannend, einfach immer etwas Neues zu machen und nicht ewig am selben Produkt rumzuwerkeln.
Später habe ich dann in einer anderen Firma als Konstruktionsleiter angefangen, dort vier Jahre gearbeitet, aber drei Jahre nach einem Generationswechsel hat die Firma leider Insolvenz angemeldet und ist verkauft worden. Aus der Insolvenz heraus habe ich mich dann selbstständig gemacht.
Wann haben Sie sich entschieden sich selbstständig zu machen? Oder wann genau war der Punkt da, an dem Sie gesagt haben, jetzt ziehe es wirklich durch?
Ich war vorher schon einmal kurzzeitig selbstständig und wenn man lange in einem Ingenieurbüro arbeitet, weiß man, dass es kein Hexenwerk ist. Da ich bereits als Gruppenleiter alle Aufgaben übernehmen durfte – wie Aufträge kalkulieren und Ähnliches – habe ich die Basics alle bereits gelernt. Dadurch, dass wir auch für sehr unterschiedliche Industriebereiche tätig waren, hat man natürlich einen sehr guten Einblick in alle Bereiche bekommen, und auch durch das Anleiten von Leuten lernt man eine Menge dazu. Da hat man die Tricks dann ja schon mehr oder weniger drauf.. Man weiß, wie man Einstellungsgespräche führt, wie man Projekte kalkuliert und bei welchen Aufgabenstellungen man vorsichtig sein muss.
Rückblickend betrachtet: Ab wann und warum ging es mit ihrem Unternehmen finanziell bergab?
Vor zwei Jahren ungefähr. Die ersten zwei Jahre waren super, aber danach wurde es schlechter. Das kam aber sehr schleichend und irgendwann steht man da und fragt sich „Was mache ich hier gerade?“
Wann war der Punkt erreicht, an dem Sie verstanden haben, dass Sie jetzt Hilfe brauchen?
Als ich gemerkt habe, ich verbringe meine Zeit nur noch damit die Löcher mit Geldern zu stopfen, die eigentlich für ganz andere Dinge bestimmt waren. Dabei ist so viel Zeit drauf gegangen, dass ich irgendwann begriffen habe „so kann es nicht sein“. Es war einfach stressig; Permanent Ebbe und man wartete nur auf den nächsten Geldeingang. Nur hin- und herzuschieben und zu gucken, wann das nächste Geld kommt und wen ich noch hinhalten kann, hat unheimlich viel Nerven gekostet.
Da habe ich kaufmännisch wohl auch einfach einige Fehler gemacht. Man muss sich schließlich ja auch selber hinterfragen und ich glaube mir geht es da wie vielen Anderen auch;
„Ich bin vielleicht ein guter Konstrukteur, aber vielleicht auch ein nicht ganz so guter Kaufmann.“
Es ist schließlich leicht auf Andere zu zeigen, aber man muss sich auch an die eigene Nase fassen. Ich weiß, ich habe Fehler gemacht. Große Fehler.
Ich habe viele Schritte viel zu früh gemacht. Das Unternehmen ist relativ schnell groß geworden. Innerhalb von zwei Jahren ist das Unternehmen von mir alleine auf insgesamt fünf Leute gewachsen, das war wohl einfach zu viel und zu schnell. Denn wenn mal doch keine Arbeit da war, war sofort das Geld weg. Ich habe die Rücklagen sofort in Wachstum investiert. Es entsteht mit der Zeit auch einfach eine gewisse Betriebsblindheit, man sieht nur noch die Arbeit und stellt Leute ein, ohne die anderen Faktoren zu beachten.
Große Probleme hat uns grundsätzlich der Jahreswechsel gebracht, weil wir einfach keinen Auftrag hatten, der uns über das Jahr bringt. Im ersten schwierigen Jahreswechsel hatten wir einen Auftrag, der aber nicht bezahlt wurde, weil die Auftraggeber meinten, es sei alles ganz anders abgesprochen gewesen. Dann wurde der Projektleiter über mehrere Monate krank und so haben wir uns letztendlich mächtig gestritten. Ich habe so 10.000 € verloren. Das waren die ersten signifikanten Schwierigkeiten.
Und dann der nächste schwierige Jahreswechsel. Keine Aufträge, auch den ganzen Januar über. Das war eine echte Saure-Gurken-Zeit. Mindestens 30.000 € waren es, die ich da in den Wind geschossen habe, obwohl ich diese gar nicht hatte. Ich musste dann anfangen zu entlassen und zu reduzieren. Wir waren von diesem Zeitpunkt an dann nur noch zu zweit, aber so richtig besser geworden ist es auch nicht.
Wie sind Sie dann auf uns gestoßen? Beziehungsweise welche Art von Hilfe haben Sie versucht sich zuerst zu holen?
Ich habe mich zuerst an die Bundesverbraucherzentrale gewendet, weil ich eine möglichst unparteiische Stelle haben wollte. Denn bekanntlich tummeln sich ja wirklich viele Leute, die aus dem Unglück anderer Menschen noch Geld schlagen wollen. Da hatte ich wirklich sehr große Angst vor. Über die Verbraucherzentrale habe ich dann versucht irgendwas zu erhalten, aber die haben mich abgewimmelt. Über einen Hamburger Verein für Freiberufler, genannt die Firmenhilfe, habe ich dann die Kontaktdaten von Herrn Reetz gefunden. Und dann habe ich einfach angerufen.
Nun eine sehr persönliche Frage. Hatten Ihre beruflichen Probleme Auswirkungen auf Ihr Privatleben?
Oh ja, natürlich gibt es wegen sowas jede Menge Streit und Ärger. Ich habe eine Tochter, die studiert, da müssen Studiengebühren bezahlt werden, meine Miete muss bezahlt werden. Meine Frau ist höchstgradig schwerbehindert. Sie bekommt nur eine Rente, von der man weder Leben noch Sterben kann. Naja und dann blieb uns ja nichts anderes übrig als von der Hand in den Mund zu leben. So haben wir angefangen von 100 € für Lebensmittel monatlich zu leben und es hat geklappt. Ein Jahr sogar, aber das ist natürlich kein Zustand. Es gab viele Reibungspunkte und bei jeder Gelegenheit Streit und das hat massive Auswirkungen auf das Familienleben.
Einen großen Anteil daran, dass es überhaupt geklappt hat, hat auch meine Frau getragen. Sie hat mir geholfen. Natürlich hat es richtig Streit gegeben, aber letzten Endes hat sie immer zu mir gehalten und versucht mich zu unterstützen so gut es eben ging. Und ich habe versucht, so viel Geld wie möglich zu verdienen und es gut zusammenzuhalten. Das hat dann natürlich verursacht, dass ich 17 Stunden am Tag gearbeitet habe und das letztendlich für einen Stundenlohn von ..ich weiß nicht.. 3,50€?
Die Auswirkungen waren tatsächlich nicht ganz ohne und ich weiß nicht, wie lange wir so noch durchgehalten hätten. Wie lange unsere Beziehung das noch durchgehalten hätte. Das war dann auch einer der Gründe, der mich dazu bewegt hat, etwas zu tun.
Was hat sich geändert, seit sie die Firmenretter kennen?
Herr Reetz hat mir zunächst einfache Tipps gegeben (siehe auch unter https://firmenretter.de/firmenrettung/). Man sieht die eigenen Fehler schließlich einfach irgendwann nicht mehr. Man fängt an, Löcher zu stopfen und Gelder hin- und herzuschieben, bis man den Überblick komplett verloren hat. Ich wusste irgendwann gar nicht mehr, wem ich noch Geld schulde und wo ich im Rückstand bin. Wirklich einmal alles zusammenzuschreiben hat schon deutlich geholfen, muss man sagen. Denn man hat schon Einiges aus den Augen verloren und dann hat sich am Ende doch gezeigt, dass es eine knappe Kiste ist. Das war für mich schon eine sehr bedrohliche Situation, aber laut Herrn Reetz noch nicht hoffnungslos.
Also habe ich noch weiter entlassen, versucht Kosten zu reduzieren und auf alles zu verzichten, was nicht unbedingt erforderlich ist. Das hat mich deutlich weitergebracht und die Situation hat sich verbessert, so dass ich dann endlich wieder Boden unter den Füßen hatte. Ich bin zwar noch nicht berühmt und auch noch ein Stück weit entfernt von Gut, aber zumindest ist die Situation nicht mehr so bedrohlich.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft für Ihr Unternehmen?
Ich würde mir einfach wünschen, dass es wieder läuft und man sich weniger Gedanken um das Geld machen muss. Es sollte so laufen, dass jeder wieder pünktlich seine Kohle bekommt, dass ich meine Miete zahlen kann und das am Ende noch ein bisschen für uns übrig bleibt. Dass es entspannter wird und ich mich wieder mehr auf die Arbeit fokussieren kann. Dass ich vielleicht mal wieder ein Wochenende zu Hause verbringen kann oder ein kleiner Urlaub wäre toll. Wir haben seit vier Jahren keinen Urlaub mehr gemacht.
Zuletzt Herr M. , es gibt so viele Unternehmer da draußen, die ebenfalls von der Insolvenz bedroht sind und uns nicht so wie Sie angerufen haben. Was würden Sie diesen Unternehmern raten?
Anzurufen!
„Sich rechtzeitig Hilfe zu holen, das ist das A und O.“
Wenn man merkt, dass es Einem aus den Händen gleitet. Ich glaube, wenn der Punkt erreicht ist, dass man viel Zeit damit verbringt, zu überlegen, mit welchem Geld man welche Rechnungen bezahlt. Dann ist es noch nicht zu spät, aber es läuft auch definitiv nicht rund. Man soll sich schließlich auf das konzentrieren, was eigentlich wichtig ist.
Vielen Dank für das Gespräch!